Erzdechant Wenzel Hocke
*8. Januar 1732, Neustadtl (Jezvé)
†1. März 1808, Ober Politz (Horní Police)
Wann Wenzel Hocke geboren wurde, ist nicht bekannt, da keine Vormerkung existiert. Die erste Eintragung über ihn ist der Tag seiner Taufe, der 8. Januar 1732. Dieser Tag ist bisweilen als der Geburtstag erwähnt. Wenzel Hocke war der erstgeborene Sohn des Müllers Franz Hocke in Neustadtl und dessen Frau Anna Dorothea Hocke, geb. Wäber. In Neustadtl hat er seine frühe Kindheit verbracht und die Grundlage seiner Ausbildung in der hiesigen Schule erworben. 1798 war ein Großbrand in Neustadtl. Dabei brandte auch die Schule nieder. An derselben Stelle wurde eine neue Schule erbaut – das steinerne Gebäude mit der Hausnummer 2, das bis heute geblieben ist. Es steht neben dem Pfarrhaus.
In dieser im Jahre 1798 erbauten Schule wurde bis 1900 unterrichtet
Seit dem zehnten Lebensjahr besuchte Wenzel Hocke das Gymnasium in Bohmisch Leipa. Dorthin ging er oft zu Fuß von Neustadtl. Später besuchte er eine Klosterschule in Sagan (Zaháň, heute Żagań in Polen). Theologie studierte er im Priesterseminar in Leitmeritz (Litoměřice). Nach der Weihe zum Priester im Jahre 1756 wirkte er als Kaplan an verschiedenen Orten. Seit 1769 war er zehn Jahre lang im Pfarrsprengel Kleinbocken (Malá Bukovina) tätig. Danach wurde er in die Heimsuchung-Mariä-Kirche in Ober Politz versetzt, wo er im Jahre 1779 die Ernennung zum Erzdechanten von Ober Politz erhielt. In dieser Position war er bis zum seinem Tod tätig. Er starb am 1. März 1808 in Ober Politz und wurde auf dem dortigen Friedhof zu Füßen des Friedhofkreuzes beigesetzt, also auf dem Ehrenplatz eines jeden Friedhofs. Leider wurde sein Grab kurz nach dem Kriegsende 1945 vernichtet Im Jahre 1908 wurde das Denkmal des Wenzel Hocke am Weg zur Kirche errichtet. 1992 wurde von diesem Denkmal das Bronze-Relief mit seiner Abbildung entwendet. Das Relief wurde 1997 dank der verbliebenen deutschen Bewohner erneuert. Das Relief wurde von dem akademischen Bildhauer Herbert Hegenbarth geschaffen und wurde von Gertrud Lösel finanziert.
Das urspründlich errichtete Denkmal im Jahre 1908 in Ober Politz
Wenzel Hocke, volkstümlich Hockewanzel genannt, war bei den Menschen sehr beliebt, da er sie nicht nur getauft, getraut und bestattet hatte, sondern auch mit ihnen lebte. Er besuchte die Gaststätten, wo er mit ihnen Bier trank und auch Karten spielte. Er war so witzig und barsch wie sie. Seine Nähe zu den Menschen äußerte Hockewanzel durch seine eigene spezifische Art von Humor. Diese Eingeschaften erkannten auch seine Vorgesetzten. Da Hockewanzel aber seine Pflichten musterhaft erfüllte tolerierten sie ihn. In einer Eintragung nach einer Visitation vom 13. September 1795 wurde angeführt:
„Die Reinlichkeit und die schöne Ordnung der Kirche, die peinliche Genauigkeit und die Übersichtlichkeit der Kirchen- und Pfarrbücher, die Schuljugend, die unter der Leitung des ehrwürdigen Erzdechanten ausgezeichnet unterrichtet ist, die lobenden Anerkennungen des Patronalamtes, des Sandauer Magistratrates (Žandov) und der Richter des Erzdekanalgebietes sind ebenso viel laut sprechende Zeugnisse dafür, daß der ehrwürdige infulierte Erzdechant und Pfarrer Wenzel Hocke, ein Mann von außergewöhnlichem Priestereifer, seinem Hirtenamte ausgezeichnet nachkomme und so für den Fortschritt in Frömmigkeit und allem Guten arbeite, daß er sich die volle Liebe und das volle Vertrauen seiner Pfarrkinder, die ihn als ihren eifrigen Hirten und Vater verehren, gewonnen habe.“
Es war zu sehen, dass der Erzdechant Wenzel Hocke seine Pflichten erfüllte, aber er verzichtete nicht auf die Vergnügen der einfachen Leuten. So ereilte ihn auch ein Schlaganfall in seiner Kutsche bei einer Rückfahrt vom Kartenspielen. Wenzel Hocke wurde somit der König vom Polzental.
Lange Jahre erzählten die hiesigen Bewohner eine Menge von Geschichten und Anekdoten aus seinem Leben. Dank dessen wurden um die Gestalt Hockewanzels Legenden erzählt, die seinen Ruhm noch größer machten. Der alt-katholische Priester Anton Nittel (1826-1902) sammelte diese Geschichten. Zum ersten Mal veröffentlichte er diese anonym unter dem Titel „Geschichten vom Hockewanzel“ im Jahre 1881 in Warnsdorf (Varnsdorf). Dieses Buch erfreute sich großen Interesses. Deshalb folgten noch weitere Ausgaben. Sie wurden auch immer wieder überarbeitet. Es erschien auch eine tschechische Übersetzung.
Die Ansichtskarte links wurde von dem Treffen des Vorbereitungsausschusses versandt, das am 6. November 1898 im Hotel Winz in Neustadtl stattfand. Diese wurde von Professor Paudler und Direktor Walda unterschrieben und an den Nordböhmischen Excursions Club in Böhmisch Leipa (Česká Lípa) adressiert. Die Ansichtskarte rechts stammt vom nächsten Treffen des Ausschusses am 31. Mai 1899, an dem der Direktor Rudolf Walda und das Mitglied des Ausschusses Georg Buchner teilnahmen
Der Nordböhmische Excursions Club in Böhmisch Leipa, also der heimatkundliche Verein, befasste sich sowohl mit der Geschichte als auch bedeutenden Persönlichkeiten dieser Gegend und sammelte die Unterlagen dazu. Es war gerade das Ausschußmitglied Josef Klein aus Böhmisch Leipa, der vorschlug, das Leben des Erzdechanten Wenzel Hocke zu durchforschen und an seinem Geburtshaus die Gedenktafel zu plazieren. Mitglied und Korrespondent im Club war auch der Postmeister aus Neustadtl Karl Schreiber, der das Treffen mit Mitgliedern der hiesigen Gemeindeverwaltung und Unternehmern initierte. Auf diesem Treffen wurde verabredet, dass die Gedenktafel an der Mühle plaziert werden soll, obwohl dieses Gebäude nicht sein eigentliches Geburtshaus war. Darüber berichtete das Mitglied des Clubs Professor Amand Paudler. Herr Karl Kreibich, der damalige Besitzer der Mühle, war diesem Vorschlag zugeneigt und hatte versprochen, diese Gedenktafel wie ein Heiligtum zu hüten. Auf diesem Treffen wurde auch der Vorbereitungsausschuss gewählt. Der Ausschuss wurde von folgenden Herrn geführt: Wenzel Pietschmann, Bürgermeister in Neustadtl, Franz Wöhle, Fabrikant, und Karl Schreiber, Postmeister. Für Anfertigung der Gedenktafel wurde von dem Ausschuss Wenzel Motz, Bildhauer und Steinmetz aus Böhmisch Leipa gewählt. Die Gedenktafel 140 cm x 85 cm wurde aus Syenit aus Schluckenau (Šluknov) hergestellt.
Firma Wenzel Motz – Steinmetzer in Böhmisch Leipa
Die Kosten der Gedenktafel wurden von einer öffentlichen Sammlung finanziert. Jeder konnte es nach eigenen Möglichkeiten unterstützen.
Die Firma Franz Wöhle & Söhne hat zum Beispiel unter ihren Arbeitern, Freunden und Geschäftspartnern 105 von den benötigten 152 Florin gesammelt. Am Sonntag, den 25. Juni 1899, wurde die Gedenktafel in Neustadtl enthüllt. Es kamen zahlreiche hiesige und auswertige Gäste. Darunter waren auch bedeutende Persönlichkeiten. Sie kamen alle, um dem großen Sohn der Gemeinde die Ehre zu erweisen. Die ganze Gemeinde war festlich geschmückt. Überall flatterten Fahnen. An der Mühle, wo die Gedenktafel plaziert wurde, errichteten die Veranstalter den Ehrenbogen. Die Ansprache hielt der Vorsitzende des Nordböhmischen Excursions Clubs, der Direktor Rudolf Walda. Er sagte unter anderem: „Wie alles, was zum Volke spricht, auch berufen erscheint, dauernd im Volke fortzuleben, so wird auch Wenzel Hocke, dessen Wirken ein in jeder Beziehung Volksthümliches war, im Lande unvergessen bleiben. Hockewanzel, der durch seinen geistreichen, wenn auch vielleicht etwas derben Humor weit über die Grenzen seiner Heimat hinaus bekannt ist, verdient es, dass sein Andenken auch durch ein sichtbares Zeichen geehrt werde.“ Nach der Enthüllung übergab der Redner die Gedenktafel unter den Schutz der Gemeinde.
Neustadtl – die Landkarte aus dem Jahre 1842
Im Vordergrund ist das Gebäude der Mühle zu sehen, die an der Stelle der niedergebrannten hölzernen Mühle – dem Geburtshaus Hockewanzels – erbaut wurde. An diesem Gebäude wurde 1899 die Gedenktafel angebracht. Links daneben ragt das Gebäude hervor, das historisch auch zur Mühle in Neustadtl gehörte. An diesem Gebäude wurde die Gedenktafel angebracht
1798 brannte die ursprungliche Mühle gemeinsam mit den meisten hiesigen Häusern nieder. An der Stelle, wie die Landkarte aus dem Jahre 1843 zeigt, wurde eine neue Mühle erbaut. Auch dieses Haus steht heute nicht mehr. Gegenwärtiges Haus Nr. 53 beinhaltet nur ein Fragment von dem ursprünglichen Steinhaus, das zusammen mit der erneuerten Gedenktafel nur als winzige Erinnerung an die bedeutende Persönlichkeit Wenzel Hocke übrigblieb.
Altes Foto von der festlichen Enthüllung der Gedenktafel im Jahre 1899, das in der Mühle gefunden wurde
Herrn Kreibich´s Mühle mit der ursprünglichen Gedenktafel
Am Sonntag, den 28. Juni 2020, fand in Neustadtl das Zusammentreffen statt – anwesend waren: Wolfgang Hennig, der Nachkomme der Familie Hocke, Monika Habartová – Bürger-meisterin der Gemeinde Straußnitz (Stružnice), Petr Zahrádka – Vertreter des Römisch-katholischen Pfarrsprengels in Neustadtl, Roman Řezáč – der Experte der hiesigen Geschichte und Petr Fletcher – der Initiator des Projektes. Bei diesem Zusammentreffen wurde vereinbart, dass der Erneuerung der Gedenktafel nichts im Wege steht, und dass diese Gedenktafel wieder neu errichtet wird. Die neue Gedenktafel wurde sogleich im Jahre 2020 in der Firma Kamenoprůmyslové závody in Schluckenau hergestellt und zwar aus dem gleichen Syenit von Schluckenau wie die ursprüngliche Tafel. Die Gedenktafel wurde festlich enthüllt und von dem P. Stanislav Přibyl, Administrator in Ober Politz, Neustadtl und Sandau am 7. August 2021 bei der Gelegenheit der Hl. Laurentius Wallfahrt gesegnet. Die Erneuerung und Enthüllung der Gedenktafel wurde von Wolfgang Hennig und der Gemeinde Straußnitz finanziert.
Durch die Erneuerung der verloren gegangenen Gedenktafel wurde dem bekannten volkstümlichen Mann Ehre erwiesen. Die Einwohner in Neustadtl können mit Recht stolz auf ihn sein.
Bearbeitung: Petr Fletcher
Übersetzung: Zděna Slavíková und Wolfgang Hennig